Willebrand-Jürgens-Syndrom I: Prophylaxe spontaner Blutungsereignisse
Das Willebrand-Jürgens-Syndrom ist die häufigste vererbbare Blutgerinnungsstörung und basiert auf einem Mangel oder einer Fehlfunktion des von-Willebrand-Faktors (VWF). Leebeek et al. wollten in diesem Zuge prüfen, ob eine Prophylaxe mit rekombinantem VWF (rVWF) die Häufigkeit behandlungsbedürftiger spontaner Blutungen bei Betroffenen mit schwerer Krankheitsform signifikant reduzieren kann, und haben eine Phase-3-Studie zum Thema durchgeführt.
Patient*innen mit schwerer Form des Willebrand-Jürgens-Syndroms leiden häufig unter spontanen und teils lebensbedrohlichen Blutungsereignissen und sollten daher nach Empfehlungen internationaler Leitlinien prophylaktisch behandelt werden. Obgleich heute mit der plasmabasierten von-Willebrand-Prophylaxe ein wirksamer Behandlungsansatz zur Verfügung steht, eröffnet der Einsatz des rekombinanten VWF (rVWF) neue Möglichkeiten.
Leebeek und seine Arbeitsgruppe wollten vor diesem Hintergrund mehr über Sicherheit und Wirksamkeit des rVWF im Vergleich zur plasmabasierten Prophylaxe erfahren und haben eine prospektive, offene und nicht randomisierte Phase-3-Studie initiiert. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die Bewertung der Wirksamkeit von rVWF zur Reduktion spontaner behandlungsbedürftiger Blutungsereignisse und sammelten ferner Sicherheitsdaten über einen Zeitraum von 12 Monaten.
Eingeschlossene Patient*innen litten unter einer schweren Krankheitsform und wurden vor der Studie entweder mittels Bedarfstherapie oder einer Prophylaxe mit plasmabasiertem VWF therapiert. Sie wurden dann einer von 2 Studiengruppen zugeteilt und erhielten entweder eine Bedarfstherapie mit einer rVWF-Dosis von 50 ± 10 VWF: Ristocetin-Cofaktor (VWF:RCo) IE/kg oder mit einer Dosis auf Basis der vorherigen wöchentlichen plasmabasierten Prophylaxe.
Als primären Studienendpunkt definierte die Forschungsgruppe schließlich die jährliche Blutungsrate der behandelten spontanen Blutungsereignisse während der rVWF-Prophylaxe. Sekundäre Endpunkte umfassten den Anteil der Patient*innen ohne Blutungsereignisse, die allgemeine Verträglichkeit sowie das Sicherheitsprofil.
Hochwirksame Blutungsprophylaxe
Von zunächst 29 geeigneten Personen nahmen 23 an der Prophylaxe mit rVWF. 13 von ihnen erhielten die Bedarfsbehandlung und 10 die kontinuierliche Prophylaxe. Teilnehmende der erstgenannten Studiengruppe waren durchschnittlich 38 Jahre alt mit einem Frauenanteil von 61,5%. In der Gruppe mit kontinuierlicher Prophylaxe konnten entsprechende Werte auf 43,9 Jahre und 30% berechnet werden. Bezüglich der Krankheitsschwere kam der Typ 3 in beiden Gruppen mit 76,9 und 80% am häufigsten vor.
Im Hauptergebnis zeigte sich im 12-monatigen Studienzeitraum eine Abnahme der behandelten spontanen Blutungsereignisse im Vergleich zur historischen Häufigkeit um 91,5% in der Gruppe mit Bedarfstherapie und um 45% in der zweiten Studiengruppe. Darüber hinaus registrierte das Forschungsteam bei 11 Patient*innen der Bedarfsgruppe und bei 10 Personen der Gruppe mit kontinuierlicher Prophylaxe kein einziges spontanes behandeltes Blutungsereignis. Mit Blick auf das Sicherheitsprofil ergab sich eine Übereinstimmung mit den zuvor ermittelten Daten ohne Anzeichen für neu aufgetretene unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei insgesamt guter Verträglichkeit.
Leebeek und sein Team ziehen daher das Fazit, dass die Prophylaxe mit rVWF bei Betroffenen mit vorheriger Bedarfstherapie die Anzahl der behandelten spontanen Blutungsereignisse deutlich verringern könne. Da sie ferner in der zweiten Gruppe mit Wechsel der Prophylaxe die hämostatische Kontrolle aufrechterhalten konnten, sprechen sie vom rVWF als eine sichere und hochwirksame Therapieoption.
Fazit:
In dieser offenen und nicht randomisierten Phase-3-Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit des rekombinanten von-Willebrand-Faktors (rVWF) bei schweren Krankheitsformen erwies sich die Therapie mit rVWF als sichere und hochwirksame Alternative zur plasma-basierten Prophylaxe. Die Autor*innen halten daher eine Berücksichtigung dieser Ergebnisse bei der Weiterentwicklung von Therapieleitlinien für unbedingt empfehlenswert.
Quelle:
Autor Studienreferat: Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig